GERT - MEIN FIAT 850 SPORT SPIDER ODER WIE ALLES BEGANN
Am Anfang steht immer das große Verlangen.
Und bisweilen bleibt der Wunsch der Vater des Gedankens.
Doch langsam und erst einmal ein paar Jahre Zeitreise zurück, ausnahmsweise nicht im De Lorean, sondern nur in Gedanken.
Mit der „Oldtimerei“ hat es bei mir schon ganz früh angefangen.
Bei meinem Papa hab ich schon als sechsjähriger Knirps, auf einem kleinen Stühlchen stehend, bei der Reparatur, ja richtig gelesen,
REPARATUR, von allen möglichen Dingen zugesehen.
Hab viel gefragt, manches gelernt und einiges behalten.
Dann, vom Bastelvirus befallen, ging es auch schon ganz zügig voran.
Am Anfang war das Rad, bei mir ein 2-Rad.
An meinem hellblauen PUCKY-Tretroller hab ich mir aus einem Holzbrett und einer Schnur eine Sitzbank gebastelt.
Hat bis auf einen kapitalen Abflug und einem fetten Holzsplitter im Hintern ganz gut funktioniert - das Motorradfahren.
Mit 15 Jahren ging es dann mit nem richtigen Moped auf die seinerzeit noch sehr spärlich befahrenen Straßen unserer Siedlung.
Es war eine handlackierte, spinatgrüne ACHILLES mit nem 50er Sachs big block.
Am Anfang war das Ding gefühlt renngeeignet,
später dann natürlich zu lahm!
Der geneigte Leser ahnt es schon,
für 50 Mark verkauft, inclusive einer coolen Lederjacke aus den 50ern.
Dafür könnte ich mir heut‘ noch den besagten Biss in den Allerwertesten beibringen.
Im Alter von 16 bis etwa 19 Jahren hab ich mich dann schraubertechnisch an allerhand Vierrädrigem versucht.
Hier mal ‘ne Zündung und da mal Ventile machen.
Auch hab ich damals reichlich VW`s in Prestolith gewandet und dummerweise nie schweißen gelernt, weil offenbar meine formgebenden Fähigkeiten mit Spachtelmasse die Herren im grauen TÜV-Kittel sehr nachhaltig beeindruckt haben müssen.
Für die Schrauberei gab es immer ein paar Märker auf die Hand und das hat meinem kargen Lehrlingslohn recht gutgetan.
Das Komische dabei ist allerdings, die Kumpels fuhren schon alle entweder Zündapp, Kreidler oder ne feine Hercules.
Nur ich fuhr das alte, schwarze BAUER Damenfahrrad meiner Mama.
Dann kam der ersehnte Tag der feierlichen Überreichung des eigenen Führerscheins Klassen 1 und 3.
Mann o Mann jetzt konnte ich ja alles fahren…Motorrad und Autos jeglicher Marken.
Es wurde dann eine LLOYD Arabella, fast geschenkt, na ja einen Kasten Bier musste ich dafür löhnen.
Das Gute daran, die Arabella war de Luxe und hatte LIEGESITZE, ich denke, Ihr wart ja auch mal jung (augenzwinker…)
Das nächste automobile Opfer war der MILLECENTO meiner Eltern, ein FIAT in ganz edlem Weiss.
Die Karre war meist voll mit Kumpels und wir haben ganz abenteuerliche Touren in die Frankfurter Nacht und Kneipenwelt unternommen.
Eines aber war immer tabu,
Alkohol beim Fahrer.
Leider hat die schöne Zeit nicht lange angedauert, denn der anfangs erwähnte Mann im grauen TÜV Gewand wollte ganz spontan dem Millecento die Plakette nicht mehr kleben, wegen zu viel braunem Blätterteig am ganzen Fahrzeug. So’n Mist aber auch.
Wir haben Ihn verschrottet, den Mille, schade drum.
Wer bitte aus der geneigten Leserschaft hat nicht auch schon mal in einer ruhigen Minute darüber nachgedacht, ob es nicht besser gewesen wäre, alle die automobilen Schätzchen in einer gewaltigen, wohltemperierten und belüfteten Scheune wegzustellen, für später vielleicht mal.
Ich hätte sie halt alle behalten sollen.
Die schöne, zickige ARABELLA de Luxe mit den Liegesitzen, in rot, mit schwarzem Dach.
Den FIAT Millecento. (Der auf dem Bild stand am Gardasee)
Den 58 er VW Ovali aus Rentner-Ersthand.
Die R4 Fourgonette Luxe, mit geteilter Heckklappe und den vielen Fenstern.
Den sauschnellen Alfasud TI, die Giulia und den Spider Veloce.
Die coolen OPEL’s , B Kadett Caravan, C und D Rekord , ach ja seufz!!!
Wie viele Leser sicher bereits bemerkt haben, beschäftigt hat mich das Thema rund um’s Altblech mein ganzes bisheriges Leben lang.
Und dann endlich, die magischen 50 waren erreicht und damit das Versprechen meiner besten Ehefrau, aus der Theorie in die PRAXIS wechseln zu dürfen. (Haus war gebaut, Sohn gezeugt und Baum gepflanzt)https://strato-editor.com/.cm4all/uproc.php/0/.50%20Geb%20Bild2.jpg/picture-400?_=1848b3ed0e3
Ein ALTES AUTO sollte es sein.
Etwas beherrsch- und bezahlbares. Wenn man die Qual der Wahl hat, dann merkt man erstmal, wie viel Auswahl der Markt so hergibt.
Spekuliert habe ich auf einen LLOYD Alexander Kombi.
Komisch, jetzt wo ich hätte können, waren keine mehr da.
Dann ist es aber, vielleicht oder gerade wegen der coolen Zeit mit dem Millecento, ein FIAT 500 R aus dem Baujahr 1973 geworden.
Bist Du erstmal infiziert, dann gibt es kein Zurück mehr.
Es gibt keinen Impfstoff gegen den Bazillus Oldtimeriensis, hoffentlich nie.
Jetzt hieß es aber erstmal nach einem 500er Club zu schauen und Informationen über Auto und Beschaffung zu sammeln.
Bei der FIAT 500 IG RHEIN MAIN bin ich damals fündig geworden. Ein wirklich begnadeter Schrauber hat mich unter seine Fittiche genommen und gemeinsam, jeder nach seinen Möglichkeiten, wurde der „ELEFANTENROLLSCHUH“ wieder in Form gebracht.
Damals waren Schrauber-Dreckfinger an der Tagesordnung und alle Autos sahen für mich wie 500er aus.
Das war 2002 .
Gemeinsam mit Freunden haben wir in all den Jahren fantastische Touren gemacht.
Ganz besonders ist dabei die Fahrt an den Lago di Garda in Erinnerung geblieben.
In den kleinen Bergdörfern bekamen wir spontanen Applaus, wenn wir unsere Cinquini auf dem Marktplatz zum Abkühlen noch ein bisschen haben blubbern lassen.
Das war 2012, an Corona hat noch keine Sau gedacht und Grippeimpfung war irgendwie selbstverständlich.
Jetzt endlich kommt in dieser Geschichte so langsam der Otocinquanta ins Spiel.
So ganz beiläufig frage ich meine Frau, ob Sie nicht gerne mal wieder im eigenen, alten Cabrio fahren möchte?
(Ich glaube das war bei einem Glas Wein, das Getränk kann ich nur empfehlen, vielleicht geht aber auch Bier !)
Es muss wohl ein „Erinnerungsblitz“ an unseren ALFA Spider gewesen sein, denn ich hatte spontan die Freigabe für ein neues Projekt.
Also, frisch, fromm, fröhlich, frei in der Oldtimer Markt geblättert.
(Der Herr Fröhlich kommt später auch noch.)
Ich blätter noch ein wenig hin und her und was für ein Schicksalstag, in der FIAT Abteilung bin ich fündig geworden.
FIAT 850 SPORT SPIDER, Bj 71, gelb, gepflegt, Nähe D`Dorf.
Inserat gelesen, Zitterfinger und Stielaugen gehabt, da hätte man 10 Brezel draufhängen können!
PANIK
Den kauft mir bestimmt jemand vor der Nase weg, bestimmt!!!
Na ja, so schnell ging es dann doch nicht.
Am anderen Tag musste ich da unbedingt anrufen
Es läutet eine gefühlte Ewigkeit und dann endlich hebt jemand ab, eine Frau. „Ja bitte?“
„Ist der inserierte Spider noch zu haben“, frage ich.
Ja, er ist noch da, aber es gäbe noch weitere Interessenten.
So`n Mist, ich hab es doch gewusst, den kauft mir einer vor der Nase weg.
Es entwickelt sich ein sehr nettes Verkaufsgespräch.
Die Dame erzählt fachkundig vom Auto und Ihren Erlebnissen damit.
ZITAT:
„Ich bin ja schon wat älter und der „WAAGEN“ ist ja so niederich und ich komm da kaum noch erinn.
Und wenn ich dann mal drinne bin, dann komm ich kaum wieder eraus, der WAAGEN muss jetzt weg!!!“
Wir haben uns damals gekrümelt vor Lachen und bald wird klar, ich soll den „WAAGEN“ haben.
Ich will das Auto mit dem Hänger holen, erkläre ich, und das möglichst schnell. Ein Termin wird vereinbart.
Ich freue mich wie Bolle.
Dann, einen Tag vor dem Termin bimmelt das Telefon.
(Es hat sich beim ersten Klingelton schon nach Stress angehört)
„Hallo, der „WAAGEN“ fährt nit mehr“, besorgte Damenstimme aus NRW.
Sie sei noch mal zum Einkaufen gefahren und da wäre nichts mehr voran gegangen, so als hätte man die Handbremse angezogen.
Ich vermute zugequollene Bremsschläuche oder feste Bremssättel.
Auf jeden Fall nicht mehr damit rumfahren, zu gefährlich, rate ich der besorgten Dame.
Anderntags kommen wir, mein Freund Karl Heinz, der Zugwagen plus Hänger und ich in einer gepflegten Vorortsiedlung an und werden schon erwartet.
Nette Begrüßung, Garage auf und da steht er der SPIDER.
In einer sauberen, gefliesten Garage, blitzeblank gewienert und die Kapuze auf.
So steht er da auf seinem Teppich, vermutlich ein Perser.
Ich bekomme schon wieder Stielaugen ( wie die vom Inserat lesen).
Schnell bin ich unterm SPIDERLE und schau mir das Stützkreuz und andere „Stellen“ an.
ENTWARNUNG, alles ist soweit fein.
Dann geht es schon an den vorbereiteten Kaufvertrag.
Nöö,nö, nix Internet oder ADAC Standard, sauber handgetippt auf der „Gabriele Reiseschreibmaschine“, natürlich mit Blaupause, so wie sich‘s gehört.
Jetzt nur noch den Kaufpreis und meine Daten reingeklappert.
Trotz aller guten Worte besteht meine Verkäuferin auf einem Preisnachlass.
Dabei hab ich garnix gesagt,…. Ehrlich !
„Nee, dat jehört sich so, schliesslich sei der „WAAGEN“ nicht fahrbereit.“
Es folgt die Bezahlung und ein Abschied, bei dem Frau H. aus D. ein paar Tränchen verdrückt.
Auch wir sind in diesem Moment ganz seltsam angerührt.
Sie hat ihn wohl geliebt, Ihren gelben Flitzer.
Ruck zuck sind wir zurück mit dem SPIDER im Huckepack.
Wenn man mit so einem Schätzchen hintendran unterwegs ist, dann muss man sich um freundlich winkende „Zuschauer“ keine Sorgen machen.
Anderntags dann auf die Hebebühne und die schlappe Bremse gemacht.
Dann noch nach der Zündung schauen, Ventile einstellen und dann Probelauf.
Ach guck mal, der läuft ja linksrum.
Auweia denke ich, schön rund läuft aber ganz anders.
Der Vergaser scheint eher ein Versager zu sein, der SPIDER stößt Rußwolken aus, wie ein Industrieschlot.
Das Zerlegen, Reinigen und Zusammenbauen mit Einstellen ist gar nicht sooo kompliziert.
Jetzt läuft der „WAAGEN“ wie er soll.
Es sollten aber trotzdem noch viele Verbesserungen folgen.
JA, was wäre noch zu sagen?
Ich bin umgehend Mitglied im 850 e.V. geworden.
Habe ein Schrauberwochenende mitgemacht, na ja, ein halbes.
Richard Fröhlich hat mir den sagenhaften neuen Auspuff besorgt,
vom „Professor“ Zobel gabs überholte Achsschenkel,
von den Eidgenossen Beatrice und Armin einen Rep.-Satz für die alten „Türscharnier-Hänger“.
Ein komplettes Reparaturhandbuch habe ich für kleines Geld auf einem Treffen mitgenommen und mir einen Satz Borrani Speichenräder in Miesbach geschnappt.
Und hast Du ein Problem oder Fragen, guckst Du ins 850 Forum, da wird Dir geholfen!
Ach ja, gefahren wird natürlich auch.
Ich bin ganz ehrlich, meistens in der Umgebung.
Aber im Coronajahr 2020 ging es an den Tegernsee zum Klassentreffen der 1967-er C.v.W. Schulabgänger. Natürlich Stress- und pannenfrei. Genaugenommen sind wir ja auch schon Oldtimer, aber wir treffen uns ganz regelmäßig jedes Jahr seit 1970!!!
Auf regionalen Treffen sind wir mit dem 850er gern gesehene Gäste und hin und wieder gibt es eine Ausfahrt mit den Kollegen der 500er Fraktion.
Der GTÜ Prüfer meines Vertrauens, einst bei FIAT ausgebildet, freut sich, wenn ich mit meinen ITALIENERN*INNEN komme.
„Endlich mal wieder ein richtiges Auto/Moped und nicht dieses ganze Plastikgelumpe!“ Und es klingt ganz ehrlich was er da sagt.
Eine Sache aber wird immer öfter zum Problem und hier glaube ich, bin ich mit den vielen Oldtimerinfizierten nicht alleine.
Ich kann mich immer schwerer für eines meiner Fahrzeuge entscheiden, alle auf einmal fahren geht ja nicht.
Ein 1985er VESPA PX Sondermodell ist zum 60. Geburtstag auch noch dazu gekommen. Viel Arbeit und wieder schwarze Fingernägel aber sie ist richtig selten und im Originallack und rennt wie Schmitt‘s Katze!!
Aber das, liebe Freunde, ist wieder eine andere Geschichte.
Aus den Tiefen des Ölsumpfes grüßt Euch herzlich
Spider Driver Gert
Ach ja, eins noch:
Mit der Verkäuferin des Spiders hatte ich noch eine ganze Zeit
Telefon/ Briefkontakt (ja, immer auf der Gabriele getippt).
Am liebsten hätte Sie den „Waagen“ wieder gehabt, ab dann wurde es aber Zeit, sich zu verabschieden.
Holger
OMG ..... was für ein Tag, erst mein Redakteur und dann auch noch Holger, den ich völlig vergessen hatte. Seit Urzeiten habe ich doch den *Fiat 500 Freunden Main-Taunus* versprochen, alle ihre Mitglieder zu interviewen, um ihren Weg zu den kleinen 'Knutschkugeln' zu erfahren.
Kleinlaut rufe ich also Holger an und habe seine Frau Sylvia am Telefon. "Wenn du kommst, bring' ein paar Flaschen bleifreies Bier mit, dann wird's nicht so schlimm für dich", sagt sie und ich höre das Schmunzeln in ihrer Stimme.
Bei Holger angekommen, versuche ich mit Entschuldigungen mein Versäumnis zu bereinigen, doch er nickt nur, nimmt mir das Bier aus der Hand und wir setzen uns.
Nach einem guten Schluck frage ich, "also mein Lieber, wie bist du denn zu einem solchen außergewöhnlichen Hobby gekommen, denn nach deiner Körperlänge zu urteilen, könnte es unter dem Faltdach schon recht eng werden?"
"Da muss ich jetzt erstmal 35-Jahre zurückdenken, der Verursacher war wohl mein Bruder. Er hatte die kleinen 500er aufgemotzt und ich hab' ihm dabei geholfen. Damit hat eigentlich alles angefangen, mein Interesse war geweckt. 6-7 Jahre später sah ich dann in Kronberg einen alten 600er hinten in 'ner Halle, sozusagen ein 'Scheunenfund', den ham dann mein Bruder und ich komplett restauriert."
Ich staune Bauklötze, das habe ich nicht erwartet, denn Holger hat eigentlich einen ganz anderen Beruf. Ja, er arbeitet zwar mit Metall, ehemaliger 'Rotfabriker', -Sanitär und Heizung-, aber das ist doch was anderes.
"Hm, und wie hast du dir die ganzen Fachkenntnisse dafür angeeignet", will ich wissen, "oder warst du nochmal bei einem Schrauber in der Lehre?", füge ich scherzhaft hinzu.
"Neee", erwidert Holger, "mein Bruder ist Kfz-Meister, war im 500-Fiat Verein und hat mir alles an Kniff's und Trick's zu den Kleinen gezeigt. Zudem sind die ja wirklich leicht, ich erinner' mich noch an so 'nen kleinen mit Streifen, den hab' ich im dicksten Winter mit 'nem Freund in der Garage auseinandergenommen. Wir waren nur zu zweit und haben ihn auf die Seite gelegt, damit ich den Kabelstrang demontieren konnte; nur 6-Kabel, war ein Kinderspiel."
Hoppla, sind meine Gedanken, hier bin ich wohl an den echten Fachmann geraten; ganz anders als bei Autorin Völkel, die solche Aufgaben sicherlich von ihrer Werkstatt erledigen lässt.
"Wie hast du dein Hobby in den stressigen Beruf integrieren können", staune ich.
"Kein Problem", erwidert er, irgendwie hat es schon gepasst mit den vielen Kleinen und angefangen hat es wohl auch mit den 'Autobianchi Bianchina' der Stadt Frankfurt. Mit diesen wurden anfänglich noch die Gaslaternen abgefahren, um diese mit Hakenstangen hell zu schalten. Nach der Umstellung auf Elektrik hat man dann alle Auto's ausgemustert. Ich hab‘
2 von den Kleinen aus Bayern retten können", grinst er.
Vor mich hin lächelnd sage ich, "so eine Rettungstat war sicherlich nicht einfach" und frage "nur 500 und 600, oder hast du noch andere Oldtimer 'retten' können?"
Jetzt ist Holger in seinem Element, ich kann gar nicht so schnell mitschreiben, wie er mir aus der Vergangenheit berichtet, welche Auto's noch gefahren oder restauriert wurden.
Da gab es einen '1100 Familiare Kombi', den dunkel- oder hellgrünen 600er von Bj. 57, ein '238er Bus-Wohnmobil', den süßen blau-metallic 500er, ein 70er Jahre Cabrio 'Pop' vom Teilemarkt in Niederolm, den polnischen 'Maluch 126', die mausgrauen und roten 500er Kombi's 'Giardinera'.
Holger verstummt, denkt nach und ich sage, dass er mir nicht alle nennen müsse. Auch ich könne mich nur noch an mein allererstes Motorrad erinnern, die 250er Yamaha 2-Takt, aber nicht an alles, was danach kam.
Jetzt steht er auf und winkt mich zu einem altertümlichen Anhänger und einem Fiat Ducato mit H-Kennzeichen. "Das ist mein größter Oldtimer", meint er scherzhaft. "Ich war halt immer schon ein Bastler, aber nur sporadisch und wenn es keine Auto's gewesen wären, dann sicherlich irgendetwas anderes technisches."
Dann berichtet er mit einem Leuchten in den Augen von den unzähligen Touren mit den Fiat Freunden...die Schwarzwald Tour, nach Dortmund, in den Harz oder nach Kiel.
Ich verstehe ihn vollkommen, das ist eine Leidenschaft, die nie erloschen ist!
Wir gehen wieder zu unserem Sitzplatz und mir fällt beim Hinsetzen der Motorradschlüssel aus der Hosentasche. Ohne, das ich es merke, angelt sich Holger den Schlüssel, hält ihn in die Höhe, "ist das deiner?", will er wissen.
Er habe da eine nette Anekdote hinsichtlich verlorener Schlüssel, deshalb würde er vor den Türkei-Urlauben grundsätzlich alle Schlüssel kontrollieren und diese bei Bedarf dort nachgemacht werden.
"Ich hab' mal einen 600er restauriert", erzählt Holger, "und wollte mit ihm wegen der tollen Lackierung zum Teilemarkt nach Niederolm fahren. Einen Tag vor dem Termin war der Zündschlüssel nicht mehr zu finden und einen Ersatzschlüssel gab's auch nicht. Was für eine Blamage, ich seh' noch heut', wie die Kerle gefeixt ham", sagt er.
Wir beide grinsen uns an, "du könntest ja fast ein Buch schreiben mein Lieber", sage ich und denke daran, wie oft er sich schon die Finger verbogen haben muss, bei den vielen Restaurationen.
Nun drehe ich den Kopf zu Sylvia, Holgers besserer Hälfte und frage sie, ob er oft mit schmutzigen Fingern zu Essen angetreten sei. Sie lacht und informiert mich, dass sie mit ihm gleichziehen würde. "Ich hab' doch auch so einen Kleinen", und berichtet von den Parkplatzproblemen an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz. "Bei den Touren bin ich dabei und auch bei den alljährlichen Treffen der Fiat-Freunden, die jetzt leider erstmal, Pandemie-bedingt, ausfallen." Allerdings sei sie momentan nicht mit einem Oldie unterwegs, ihre Augen fliegen zu Holger, weil der ihn erst noch reparieren müsse; der 3te Gang springe ständig raus und die Auspuffbleche klapperten.
"Aha", sage ich und frage nach den Oldtimern, die sie bisher bewegen durfte. "Mal überlegen, da war doch der 126er Fiat und außerdem mein heißgeliebter Renault R 4 mit durchgehender Sitzbank vorne. Ach ja, eine Peugeout 504 gab's auch noch." Sie erzählt mir von der Tour in den Harz und berichtet lächeln von der ' Frostbeule an der Nase', weil die Heizung des 'Pop Cabrios' defekt war. Aktuell sei sie meist mit einem neuen 500er Fiat unterwegs und nur an den Wochenenden mit einem Oldtimer.
Meine Herren, was hier an motorischem Wissen vorhanden ist, Respekt, da zieh' ich den Hut!
Wahnsinn, ich hätte noch Stunden hier sitzen können ... Aber ... ein Blick auf die Uhr und ich denke pflichtschuldigst an meine 2te Aufgabe, die zu Hause noch wartet.
"Wenn du Zeit und Lust hast, kannst du gerne wiedermal auf 'nen Schwatz vorbeikommen", lädt Holger mich ein.
"Ein Mann ein Wort, das mache ich gerne, aber vorher will ich ja noch die anderen Mitglieder der *Fiat 500 Freunde Main-Taunus* besuchen, um deren Geschichte zu erfahren."
E.D.M. Völkel
Wir hatten es ja bereits angekündigt, unsere Mitglieder mal befragen zu lassen, wie sie zu ihrem Hobby gekommen sind, ihrer Knutschkugel, dem Fiat 500 und was sie mit dem kleinen Kultfahrzeug verbindet.
An so einem wolkenverhangenen Tag will eigentlich niemand vor die Türe, aber ich bin mit Eva Völkel von den -Fiat 500 Freunde MainTaunus- verabredet, ein Glück, dass sie sich mal vom Schreiben ihres neuen Thrillers lösen kann.
E.D.M. Völkel schreibt regionale Krimis im Hoch- und MainTaunus Kreis und liebt, wie sie mir gesagt hat, ihre beiden 500er Fiats. Ihr Ferrari-Rot lackierter Oldtimer, Baujahr 75, wartet derweil auf das erste Orgeln vom Anlasser und steht gut eingemummelt in der Garage.
„Hallo Eva, kann ich dir mal ein paar Fragen zu deinem „Liebling“, dem 500er Fiat, stellen?“
„Na klar doch, aber du musst wissen, dass meine Oldtimer Namen haben, schon der erste hieß -Lieschen- und die Kleine hier hat auch diesen Namen.“
„Ach ja, gut zu wissen, aber bevor wir jetzt die Decke lüften:
Wie bist du eigentlich Fan von der kleinen Knutschkugel geworden?“
„Da muss ich etwas ausholen, denn mein erstes Auto war auch so ein Kleiner, den ich damals echt liebgewonnen habe. Denn wer hatte nach der Ausbildung viel Geld? Mit 400,- D-Mark am Monatsende musste es etwas Günstiges sein, Klein – Fein – Mein und bezahlbar! Allerdings war es was Besonderes, das erste Lieschen, mit seinen Selbstmördertüren und dem Rolldach.“
„Selbstmördertüren? Rolldach? … Das musst du den Lesern jetzt aber mal näher erklären!“
„Also, normalerweise sind Autotüren vorn am Holm befestigt. Man kann die Tür nur ein wenig öffnen und dann einsteigen. Selbstmördertüren, witziger Name, der es aber genau trifft. Sie sind am Mittelholm angeschlagen und gehen zum Verkehr auf. Das bedeutet, ich muss die Tür weit öffnen um ein- oder auszusteigen. Bei den engen Parkplätzen heutzutage wär‘ das sicherlich kein Vergnügen. Das Rolldach, hm, wie erklär‘ ich das am besten. Also erstmal, nix mit elektrisch, wie mein dritter 500er Baujahr 2019, sondern da war noch echte Handarbeit gefragt. Erst vorn die Spange lösen, nach hinten rollen und dann mit 2 Klammern über der Motorabdeckung fixieren.“
„Hoppla, rollen? Was hast du mit dem Fenster hinten gemacht, war das rausnehmbar?“
„Nein, nein, das war aus Kunststoff und wurde mit eingerollt.“
„Was für Strecken durfte dein Lieschen so zurücklegen, nur zur Arbeit oder auch für den Urlaub in Italien?“
„Seufz, tja, seine Heimat hat es mit mir nie gesehen, wäre auch zu teuer gekommen; Nord- und Bodensee waren meine bevorzugten Regionen. Denn sie war ja auch nicht besonders schnell, meine Kleine, 80 Stundenkilometer, mit angelegten Ohren auch mal 90. LKW überholen auf der Autobahn nur bergab, sonst immer schön im Windschatten.“
„So, so, dass warn wohl noch die -guten alten Zeiten-?“
„Jaa, das kann man so sagen und deshalb geh’n wir jetzt mal zum Lieschen in die Garage.“
„Hut ab, sieht echt toll aus, leuchtet richtig, die Farbe Ferrari-Rot. Ach, und als Erinnerung steht hinten auf dem Fenster: -Die guten Zeiten sind vorbei!-“
Eva lächelt jetzt verschmitzt, als sie antwortet: „Eigentlich nicht, denn mit der Kleinen unterwegs zu sein, ist ein echtes Vergnügen. Mein Mann, der sich die Knutschkugel im Sommer ab und an ausleiht, ist der gleichen Ansicht: Lieschen -entschleunigt- ungemein in dieser hektischen Zeit. Ob ich allein unterwegs bin, wir beide oder mit den Fiat Freunden einen Ausflug machen, da ist nix mit -schnell-schnell. Ich genieße das richtig, denn oft kommen mir beim Fahren durch den schönen Taunus die besten Ideen, die dann selbstverständlich auch mit dem einen oder anderen Aspekt meine Bücher bereichern, zum Beispiel das -Dettenbach Tal- in der Nähe von Heftrich. Allerdings muss ich zugeben, dass das neue Lieschen etwas flotter daherkommt, ich hatte bergab auch schon mal den Zeiger auf der 110 stehen.“
Ich stehe und staune, umrunde das kleine Fahrzeug wie ein Riese den Zwerg, lasse mir den Motor zeigen, die Fronthaube öffnen und schaue mir den spartanischen Innenraum an. „Für wieviel Personen ist sie zugelassen?“
„Eigentlich könnten 5 Leute darin Platz nehmen, aber von deiner Länge eher nicht. Hhmm, vielleicht lernst du mein Lieschen besser kennen, wenn wir eine Runde fahren, über Schloßborn und nach hierher zurück, hast du Zeit“?
Ich bin geplättet und willige freudig ein; es ist zwar nicht so leicht mit meinen 1,84 m, aber irgendwie schaffe ich es dann doch. Mit dem Kopf unterm Dach und erstem munteren orgeln in 2021 springt die Kleine schließlich an. Noch ein paar Handgriffe von Eva, die Kupplung ruckt und wir setzen uns langsam in Bewegung … ich bin gespannt, ob ich genauso „entschleunigt“ die Heimreise antrete, wie sie mir prophezeit hat